Notizen vom Freiburger Impftag

RSV

Mit dem epidemiologischen Bulletin 32/24 wurde von der STIKO eine Standardimpfempfehlung ab 75 Jahre bzw. eine Indikationsimpfung ab 60 Jahre bei Menschen mit schweren Vorerkrankungen bzw. für alle Bewohner in medizinischen Einrichtungen ab 60 Jahren ausgesprochen. Schwere Vorerkrankungen sind schwere Formen von Immundefizienz, ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus mit Komplikationen, schwere Formen von Atemwegs-, Hämatoonkologischen-, Neuromuskulären-, Nieren- oder Herzkreislauferkrankungen. Ausdrücklich sei das Ermessen des behandelnden Arztes gefragt ab wann eine schwere Form der jeweiligen Erkrankung vorliege.

Die Impfstoffe Arexvy und Abrysvo sind beide ab 60 Jahren zugelassen und verfügen über eine gleichwertige Wirksamkeit und Sicherheit. Es besteht ein etwa 60 – 80%iger Schutz vor Erkrankung an unteren Atemwegssymptomen in der ersten Saison nach der Impfung, danach nimmt die Wirksamkeit ab. Die in den Studien divergierenden Zahlen zur Impfeffektivität erklären sich durch unterschiedliche Definitionen eines „schweren“ RSV-Falls, nominell ist Arexvy im Vorteil. Der Schutz vor schweren Symptomen ist etwas höher. Eine Auffrischimpfung hat jedoch bisher noch keinen Vorteil gezeigt, sodass zunächst nur eine einmalige Impfung (möglichst im Herbst) empfohlen ist. Abrysvo verfügt im Gegensatz zu Arexvy über eine Zulassung für Impfung in der Schwangerschaft, für Schwangere liegt jedoch noch keine Impfempfehlung der STIKO für RSV vor.

Mit fortschreitendem Alter zeigt sich eine zunehmende schwere der RSV Infektionen. Das RKI hat die jährliche Hospitalisationsinzidenz im Bulletin mit ca. 25 / 100.000 ab einem Alter von 80+ berechnet. Das Sterberisiko bei Hospitalisation liegt demnach in dieser Altersgruppe bei etwa 11 %. Die Häufigkeit der RSV Infektion ist aufgrund der unzureichenden Datenlage wahrscheinlich deutlich (Faktor 8-14) unterschätzt. Für Influenza gibt das RKI eine Hospitalisationsinzidenz in der Saison 2023/24 in der Altersgruppe 60+ von 41 / 100.000 im Epidemiologischen Bulletin 44/24 an.

In der Altersgruppe ≥ 75 können etwa 2206 Hospitalisationen und 162 Todesfälle durch 1 mio Impfungen verhindert werden. Dabei können in der Altersgruppe ≥ 65 etwa 10 (Arexvy) bzw. 25 (Abrysvo) Fälle auf 1 mio. Impfungen von einem Guillain-Barré Syndrom auftreten, ein Kausalzusammenhang mit der Impfung ist aktuell nicht auszuschließen.

Unter Berücksichtigung der Unterschätzung von RSV Infektionen ist die Number-needed-to-vaccinate nach dem RKI für eine vermiedene RSV-Infektion bei etwa 4.7, für eine Hospitalisation bei 260 – 450.

Alzheimer Infektionshypothese

Porphyromonas gingivalis – Helicobacter der Geriatrie?

Nachdem in den letzten Jahren mehrere Versuche gescheitert sind, Amyloid Plaques aus dem Gehirn zu entfernen (z. B. Verubecestat), stellt sich die Frage, ob nicht Ursache und Wirkung in der Alzheimer Forschung neu überdacht werden müssen. Ein neuer Ansatz ist die Infektionshypothese des M. Alzheimer.

Eine interessante Zusammenfassung zwischen Zahnfleischerkrankungen und Alzheimer gibt Harding et al.: Eine Periodontitis geht einher mit Alzheimer Erkrankungen (Ohlsen und Singhrao). Auch die Assoziation zwischen Zahnfleischerkrankungen und späterer Gedächtnisfunktion ist belegt (Stein et al.). Interessanterweise scheint es nicht nur ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Erkrankungen zu geben, in einer kleinen Studie an 29 Patienten ist eine Verbesserung der Zahnhygiene einhergegangen mit einer Reduktion des funktionellen kognitiven Impairment, wenn auch nicht über eine längeren Zeitraum (Rolim et al.).

Ein Hauptverursacher der Periodontitis ist Porphyromonas gingivalis (u.a. Review von Mysak et al.). Doch nicht nur im Zahnfleisch lässt sich dieser Keim nachweisen, auch im Gehirn gelang ein Nachweis (Dominy et al.). Zwischen einer Nicht-Alzheimer Kontrollgruppe und Gehirnschnitten von Alzheimerpatienten zeigte sich ein signifikant erhöhte Konzentration von Stoffwechselenzymen von Porphyromonas gingivalis, auch zeigte sich eine deutliche Korrelation mit der tau-Protein Last. In vitro konnte dabei ein Anstieg der Konzentration von unlöslichem tau-Protein nach Infektion einer Zelllinie mit P. gingivalis beobachtet werden.

Bisher sind extrazelluläre Ablagerung, die Amyloid-ß-Peptide und das intrazelluläre tau-Protein als mögliche Ursachen der Alzheimer Erkrankung angesehen worden. Doch vielleicht sind diese Ablagerung nicht die Ursache, sondern die Folge: Für Amyloid-ß-Peptide gibt es bereits Anzeichen einer antimikrobiellen Aktivität (Soscia et al.).

Auch auf Gen-Ebene gibt es plausible Zusammenhänge zwischen bakteriell getriggerter Inflammation und Neurodegeneration. So ist bei Vorliegen eines Apo-E4 Phänotyps eine erhöhte Expression proinflammatorischer Zytokine bekannt (Candore et al.), welche möglicherweise ursächlich durch eine Störung der Bluthirnschranke bedingt sind. Die chronische Neuroinflammation bedingt dann eine Neurodegeneration (Harding et al.).

Dominy et al. wiesen einen Zusammenhang zwischen der Konzentration von Kgp (einem Stoffwechselenzym von P. gingivalis) und Neurodegeneration in vitro nach. Diese Neurodegeneration lies sich mit einem Cystein Protease Inhibitor aufhalten, welcher das entsprechende Kgp-Enzym blockiert. Eine Eradikation mit einem Breitspektrum Antibiotikum (Moxifloxacin und Doxycyclin) hatte keinen entsprechend protektiven Effekt. Ein Kgp-Inhibitor, welcher die Bluthirnschranke überwinden konnte, zeigte im Mausmodell ebenfalls einen Neuroprotektiven Effekt nach Injektion von Kgp und einem weiteren Stoffwechselenzym RgpB.

Eine Infektion von Mäusen mit P. gingivalis zeigte eine erhöhte Konzentration von Aß1-42, allerdings nur bei Stämmen welche nicht mit einem Kgp- oder RgpB-Knock out Stamm infiziert worden waren. Außerdem zeigte sich eine Antibakterielle Aktivität von Aß1-42 gegen P. gingivalis.

Weiterhin konnte die Infektionslast mithilfe eines Kgp oder RgpB Inhibitors in Mäusen reduziert werden.

In weiteren Studien ist ebenfalls ein Zusammenhang zwischen einem Infektionserreger und Alzheimer nachgewiesen worden (u.a. Chlamydia pneumophilia, Herpes simplex Typ I, Helicobacter pylori, siehe Review von Olsen und Singhrao).

Für eine Immunglobulingabe gegen HSV-1 konnte eine Reduktion der Aß- und phosphorylierter tau-Protein Konzentration in vitro gezeigt werden (Wozniak und Itzhaki).

Influenza

Eine neue Therapieoption gegen Influenza wurde in einer Phase 2 und 3 Studie in Japan bzw. Japan und den USA untersucht (Hayden et al.). Die Patienten waren zwischen 12 und 64 Jahre alt, hatten meist eine Influenza A und wurden ambulant behandelt. Ausschlusskriterien waren neben einer Hospitalisation eine Schwangerschaft,  eine weitere Erkrankung, ein Körpergewicht < 40 kg und ein Symptombeginn vor > 48 h. Studienziel war der Nachweis einer Überlegenheit gegenüber Placebo, dies konnte  erreicht werden: So wurde unter Baloxavir  die Dauer der Symptome von drei Tagen um ca. 1 Tag auf im Mittel 53 Stunden im Vergleich zu Placebo verringert. Die Zeitverkürzung bis zum Verschwinden der Symptome war dabei unter den Patienten welche das Medikament bereits nach 24 h bekamen um ca. 33 h geringer. Im Vergleich zu Oseltamivir konnte eine Reduktion der Viruslast nach einem Tag nachgewiesen werden, die Symptomdauer blieb jedoch gleich. Japaner waren unter Placebo ganze 40 h schneller gesund gegenüber den Patienten aus den USA. Die Autoren betonen den Nutzen als Alternative zu Oseltamivir bei hierunter bereits aufgetretenen Resistenzen.

Neues aus der Pneumologie 2013

Vom Internisten-Update 2013 in Wiesbaden eine unvollständige Auswahl aus dem Vortrag von Herrn Professor Kohlhäufl:

  • Das SMART-Konzept (Single Maintenance And Reliever Therapie) ist eine wirksame Therapiealternative des Asthma bronchiale auf Stufe 2-4 : Formoterol als rasch wirksamer langwirksamer Bronchodilatator als Bedarfs – und Erhaltungstherapie in Kombination mit inhalativem Corticosteroid z.B. als Budesonid/Formoterol ist effektiver auf Stufe 2 und spart Steroide durch verminderte Exazerbationsrate auf Therapiestufe 3-4.
  • Bei Asthma unter inhalativen Korticosteroiden nach Absprache mit Kardiologen sind evntl. einschleichend (wohl besser kardioselektive) ß-Blocker möglich. Eine Placebo-kontrollierte Studie mit Propranolol als unselektivem ß-Blocker hat unter ICS keine signifikanten Unterschiede in der Lebensqualität und Asthmakontrolle finden können.
  • DREAM-Studie: Mepolizumab senkt die Exazerbationsrate bei schwerem eosinophilem Asthma bronchiale.
  • Eine PCT-gesteuerte Antibiotika – Therapie ist sicher bei oberen – und unteren Atemwegsinfektionen (<0,1 ng/ml keine Antibiose, <0,25 ng/ml Überprüfung der Antibiose-Indikation). Eine einzelne Messung schließt aber bei ungenügender Sensitivität keine bakterielle Infektion aus, entscheidend bleibt die Klinik. Der Vorteil des Procalcitonins liegt in der damit möglichen frühzeitigen Beendigung einer Antibiose bei auch in der Kontrolle niedrigem Wert.
  • In Zukunft evntl. vermehrt inhalative Antibiotika als Antwort auf die zunehmenden Resistenzprobleme, besonders bei chronisch kranken Patienten (z.B. Mukoviszidose, COPD).
  • Das Screening von Rauchern auf ein Bronchialkarzinom mit Niedrig-Dosis CT ist auch bei Vorliegen einer amerikanischen Empfehlung für bestimmte Risikogruppen vorerst noch nicht in Deutschland praktikabel. Mehr als 90% der pulmonalen Rundherde sind benigne, eine ausreichende Trennschärfe zu malignen Befunden ist nicht gegeben und verursacht zum jetzigen Zeitpunkt bei genereller Anwendung evntl. mehr Schaden als Nutzen. Die beste Vorsorge bleibt ein Rauchverzicht.
  • Die spezifische Therapie des metastasierten nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms wird erweitert um Crizotinib bei Vorliegen einer ALK-Mutation, neben bereits bekannten Optionen bei EGFR-Mutation (Gefitinib, Erlotinib, Afatinib). Somit muss der Pathologe nun nach zwei Mutationen beim NSCLC gefragt werden!

Im Vortrag von Herrn Professor Pfeifer standen die COPD, das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom und die Beatmungsmedizin im Vordergrund:

  • Die COPD ist mit zahlreichen Begleiterkrankungen assoziiert. Wichtig ist die Differentialdiagnostik bei Akut-Exazerbierter COPD, an erster Stelle steht hier die Lungenembolie. Zu wenig berücksichtigt wird das akute Koronarsyndrom; neben thorakalen Schmerzen im Rahmen der Exazerbation sind auch kardiale Ischämien häufig (McAllister et al. 2012).
  • Eine Steroid-Stoßtherapie mit 40 – 50 mg Prednisolon über 5 Tage ist genauso effektiv (oder besser) wie eine Therapiedauer von 14 Tagen (REDUCE-Studie).
  • Inhalative Glucocorticoide bringen ein erhöhtes Risiko für Pneumonien und nicht-tuberkulöse Mykobakteriosen. Die ICS sind erst ab Stadium GOLD C indiziert (GOLD-Leitlinie)!
  • Das nicht-therapierte obstruktive Schlafapnoe-Syndrom erhöht das Risiko für ein Rezidiv-Vorhofflimmern nach Pulmonalvenenisolation (Fein et al. 2013) und ist assoziiert mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität, insbesondere bei einem nächtlichen Sättigungsabfall < 78% und schwerem OSAS (Gami et al. 2013). Frauen haben trotz OSAS evntl. keine vermehrte Tagesmüdigkeit (Franklin et al. 2013), sodass ein Screening auch bei alleinigem Vorliegen von arterieller Hypertonie und Adipositas zu erwägen ist.
  • Eine palliative nicht-invasive Beatmung bei Tumorpatienten kann effektiv die Dyspnoe verringern und den Opiat-Bedarf vermindern (Nava et. al 2013).

 

Temperatursenkung

Für Patienten mit Schlaganfall ist die Temperatursenkung als vorteilhafte Therapie gut belegt, z.B. „Quality in Acute Stroke Care„-Studie. Wie sind aber die Auswirkungen bei Patienten mit Sepsis? Immerhin wird durch die Fiebersenkung eine physiologische Reaktion unterdrückt, die zur Steigerung der Immunantwort und Erregerkontrolle dient. Auf der anderen Seite bewirkt das Fieber aber auch eine Kreislaufbelastung. Die Auswirkungen einer Temperatursenkung durch Auflegen mit kaltem Wasser getränkter Tücher ist in der „SepsisCool„-Studie untersucht worden. Es fand sich ein geringerer Bedarf an Vasopressoren und eine verringerte Mortalität an Tag 14 nach Aufnahme auf die Intensivstation in der Interventionsgruppe. Die Mortalität nach Entlassung aus dem Krankenhaus war nicht signifikant verschieden bei einem nicht-signifikant erhöhtem Trend zur vermehrten Krankenhausinfektionen.