In der Defuse 3-Studie wurde eine reduzierte Mortalität und verbesserte Rate des funktionellen Outcomes für Patienten mit einem Schlaganfall im proximalen Stromgebiet der A. cerebri media oder A. carotis interna im Zeitfenster 6 bis 16 Stunden nach Symptombeginn nachgewiesen. Vorraussetzung war ein initiales Infarktvolumen von max. 70 ml und ein Verhältnis von Ischämievolumen zu Gesamtinfarktvolumen von mindestens 1,8. Durchgeführt wurde eine endovaskuläre Therapie, verglichen wurde mit konservativ medikamentöser Therapie. Die 90-Tagesmortalität war 14% in der Interventionsgruppe verglichen mit 26% in der Kontrollgruppe, entsprechend einer NNT=8. Die DAWN-Studie konnte im Zeitraum 6 – 24 h nach Symptombeginn lediglich ein verbessertes funktionelles Outcome nachweisen, ohne einen signifikanten Mortalitätsunterschied. Die Autoren führen dies auf die Selektion von Patienten mit milderen Symptomen und größeren Infarktvolumen zurück.
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PEG doch erst später?
Die frühe PEG oder PEJ-Sondenanlage nach Schlaganfall ist nach einer Registerauswertung mit erhöhter Morbidität und Mortalität nach 2 Jahren assoziiert: https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000004962
Blutungsrisiko unter NOACs
Eine retrospektive Vergleichsstudie Rivaroxaban 20 mg 1xtgl. vs. Dabigatran 150 mg 2xtgl. hat ein erhöhtes Blutungsrisiko für Rivaroxaban bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und einem Alter von mindestens 65 Jahren gezeigt (Graham et al., ). Die erhöhte Anzahl von Intrakraniellen Blutungen hat demnach nicht die reduzierte Rate an thrombembolischen Schlaganfällen wettmachen können. Zudem bestand eine nicht-signifikant erhöhte Mortalität von Rivaroxaban im Vergleich zu Dabigatran. Leider bisher nur eine Retrospektive Kohortenstudie, damit nur ein Hinweis auf einen entsprechenden Zusammenhang.
Bestätigen tut dies jedoch eine weitere retrospektive Kohortenstudie bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (Lip et al., Int J Clin Pract. 2016 Sep;70(9):752-63), hier zeigte Apixaban das geringste Blutungsrisiko, das höchste Blutungsrisiko war unter Warfarin bzw. Rivaroxaban zu beobachten.
AVERROES und ARISTOTLE
Die AVERROES-Studie: Apixaban bei Patienten mit Nicht-valvulärem Vorhofflimmern und erhöhtem Schlaganfallrisiko (Alter ≥ 75, Arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz NYHA ≥ II, LVEF ≤ 35%, pAVK) versus Acetylsalizylsäure (ASS). Ziel war der Einschluss von Patienten, welche entweder keinen VKA (Vitamin K Antagonist) nehmen können bzw. wollten oder von denen der behandelnde Arzt meinte, sie könnten keinen VKA einnehmen.
Also eine Alternative zur ASS bei Patienten mit Schlaganfall oder Vorhofflimmern, bei denen man sich gegen Marcumar entschieden hat? Mit der ARISTOTLE-Studie ist ja bereits das Apixaban gegen Warfarin als Vitamin K – Antagonist verglichen worden.
Ins Auge fallen die Ausschlusskriterien:
- Aktives Ulcus Leiden
- Thrombozyten < 100.000/mm³, Hb < 10 g/dl
- Schlaganfall < 10 Tage
- Dokumentierte Blutungsneigung
- Alkohol- oder Drogenabusus oder psychosoziale Gründe welche eine Studienteilnahme erschweren
- Schwere Komorbidität mit einer Lebenserwartung < 1 Jahr
- Kreatinin > 2,5 mg/dl oder eGFR < 25 ml/min
- ALAT/ASAT > 2 fachen oberen Normbereich oder Bilirubin > 1,5 x Normbereich ohne Erklärung durch andere Erkrankung
- Mögliche Schwangerschaft und fehlendes Einverständnis für Schwangerschaftstest oder fehlende Einwilligung in eine „akzeptable“ Verhütungsmethode
Was ist nun der Unterschied zur ARISTOTLE-Studienpopulation? Wer kann in die AVERROES-Studie aufgenommen werden und darf bzw. kann oder möchte keinen VKA einnehmen? Was ist denn eine „dokumentierte Blutungsneigung“ ? Ein sturzanfälliger Patient? Eine schwere gastrointestinale Blutung in der Vorgeschichte? Bleiben doch nur die auf VKA schwer einstellbaren Patienten bzw. der Trapper in der Wildnis der seinen INR nicht überprüfen lassen kann?
Was findet sich denn in den Ausschlusskriterien zur ARISTOTLE-Studie, die nicht in der AVERROES-Studie zu finden sind:
- Persistierende unkontrollierte arterielle Hypertonie (syst. BP > 180 oder diast. BP > 100 mmHg, eigentlich doch eine „dokumentierte Blutungsneigung“ ?
- Aktive Endokarditis, vielleicht doch eine valvuläre Erkrankung die einen operativen Eingriff benötigt, also eigentlich doch kein Unterschied zwischen ARISTOTLE und AVERROES.
- Geplante größere OP
Die Gründe für das Ablehnen eines VKA in AVERROES bei Patienten mit einem vorherigen VKA: In der Mehrzahl (65%) multifaktoriell. Danach mit 42% auf Platz 2 „INR konnte nicht im therapeutischen Bereich gehalten werden“, auf Platz 3 mit jeweils 37% entweder der Patient hat einen VKA abgelehnt oder man konnte den INR nicht häufig genug bestimmen.
Was lernt man nun aus AVERROES? Apixaban ist besser als ASS zur Prophylaxe bei Schlaganfällen unter Nicht-valvulärem Vorhofflimmern bei der oben definierten Patientengruppe (Numer-needed to Treat von 48/Jahr bei 1,6% vs. 3,7% für den primären Endpunkt aus Schlaganfall (Blutung oder Ischämie) oder systemischer Embolie). Eine Alternative zur ASS bei Patienten welche keinen VKA bekommen können ist bei der Liste an Ausschlusskriterien wohl noch nicht gefunden. Die Number needed to harm bei Patienten mit schweren Blutungen unter Studienmedikation beträgt 1,4% vs. 0,9% = 200 / Jahr.
Damit ist das Fazit wohl eher ernüchternd: Man sollte bevor man einem Patienten ASS statt einem VKA empfiehlt, vorher ein neues Antikoagulans prüfen.
Schlaganfallrisiko ohne VHF
Seit längerem bekannt ist der CHADS2-Score und seine Verfeinerung, der CHA2DS2-VASc-Score zur Vorhersage des Schlaganfallrezidivrisikos bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern. In den aktuellen ESCardio-Leitlinien richtet sich die Empfehlung zur oralen Antikoagulation bei Vorhofflimmern nach dem CHA2DS2-VASc-Score. Ntaios et al. haben in einer retrospektiven Kohortenstudie das Rezidivrisiko für einen erneuten ischämischen Schlaganfall nach dem Erstereignis bei Patienten ohne Vorhofflimmern untersucht. Eingeteilt wurde in drei Gruppen (niedriges-, mittleres- und hohes Risiko) entsprechend dem CHA2DS2-VASc-, bzw. CHADS2-Score (0, 1, bzw. ≥ 2 Punkte) vor dem Schlaganfall. Endpunkt war 5-Jahres Überleben, Schlaganfallrezidiv und kardiovaskuläre Ereignisse. Gefunden wurde eine hohe Übereinstimmung zwischen Gruppeneinteilung und den Ereignisraten. Damit ist die Risikostratifizierung auch bei Schlaganfallpatienten ohne Vorhofflimmern möglich. Was für therapeutische Änderungen werden sich daraus ergeben?